Blockieren des Rezeptors „Inceptor“ könnte insulinproduzierende Betazellen schützen
Genau hundert Jahre nach der Entdeckung des Insulins und fünfzig Jahre nach der des Insulinrezeptors haben Forschende jetzt den Insulin-inhibitorischen Rezeptor „Inceptor“ entdeckt. Dies könnte neue Möglichkeiten zur medikamentösen Behandlung von Diabetes eröffnen: Blockiert man die Funktionen von Inceptor, wird der Insulinsignalweg der insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse sensibilisiert. Das könnte die Betazellen schützen und regenerieren – und zu einer Diabetes-Remission führen.
„Die Entdeckung des Insulins vor hundert Jahren hat die tödliche Krankheit Diabetes kontrollierbar gemacht. Jetzt sind wir einen weiteren wichtigen Schritt näher an unserem Ziel, die Krankheit künftig ganz zu bezwingen.”— Prof. Matthias Tschöp
Die Krankheit an der Wurzel packen
Diabetesforscher Heiko Lickert beschäftigt sich mit der Entwicklung regenerativer Behandlungsansätze, mit Alternativen zu den klassischen immunologischen und metabolischen Methoden. „Bildet sich in den Betazellen eine Insulinresistenz aus, kommt es zum Funktionsverlust und das führt zum Diabetes. Therapien, die diese Zellen wieder empfindlicher machen für Insulin, könnten Patientinnen und Patienten vor dem Verlust der Betazellen oder ihrer Funktion schützen“, sagt Letztautor Lickert, Professor für Betazellbiologie an der TUM und Direktor des Instituts für Diabetes- und Regenerationsforschung am Helmholtz Zentrum München. Mit der Entdeckung des Insulin-inhibitorischen Rezeptors Inceptor hat sein Team eine vielversprechende molekulare Zielstruktur für Therapien zum Schutz und zur Regeneration von Betazellen gefunden – ohne die unerwünschten Nebenwirkungen einer Insulintherapie.
Blockade des Insulinsignals verhindern und Betazellen schützen
Am Mausmodell zeigte das Team, dass Inceptor die insulinproduzierenden Betazellen vor der Aktivierung des Insulinsignalweges abschirmt. Besonders auffallend war dabei, dass Inceptor bei Diabetes in einer höheren Anzahl vorkommt. Daraus schließen die Forschenden, dass die Blockierung des Insulinsignals durch Inceptor eine Rolle bei der Insulinresistenz spielt.
„Wir wollen nun die Entdeckung von Inceptor dazu nutzen, neue Medikamente zur Regeneration der Betazellen zu entwickeln.”— Prof. Heiko Lickert
Das Team ging deshalb der Frage nach, was passiert, wenn man die Funktion von Inceptor genetisch oder medikamentös unterbindet. Die Forscherinnen und Forscher schalteten Inceptor in Betazellen aus und blockierten seine Funktion mithilfe monoklonaler Antikörper. Das Ergebnis entsprach den Erwartungen: Sowohl die Insulinsignalstärke als auch die Masse funktionaler Betazellen stieg an. Das Team versteht Inceptor daher als einen vielversprechenden Angriffspunkt, um die eigentliche Ursache von Diabetes zu behandeln: den Verlust und die Fehlfunktion der Betazellen.
Ein Weg zur Diabetes-Remission?
„Vor hundert Jahren betonte Nobelpreisträger Frederick Banting in seiner Rede zur Entdeckung des lebensrettenden Medikaments Insulin, dass Insulin den Diabetes nicht heilen, sondern nur die Symptome behandeln kann. In den letzten hundert Jahren hat sich daran nichts geändert. Wir wollen nun die Entdeckung von Inceptor dazu nutzen, neue Medikamente zur Regeneration der Betazellen zu entwickeln. Damit könnten wir Betroffenen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes helfen und letztendlich eine Diabetes-Remission herbeiführen“, erklärt Lickert.
„Die Entdeckung des Insulins vor hundert Jahren hat die tödliche Krankheit Diabetes kontrollierbar gemacht. Jetzt, da wir den Insulin-inhibitierenden Rezeptor entdeckt haben, sind wir einen weiteren wichtigen Schritt näher an unserem Ziel, die Krankheit künftig ganz zu bezwingen“, sagt Matthias Tschöp, Professor für Stoffwechselerkrankungen an der TUM und wissenschaftlicher Geschäftsführer am Helmholtz Zentrum München. „Während die COVID-19-Pandemie eine akute Bedrohung darstellt, die wir überwinden werden, dürfen wir nicht vergessen, dass Diabetes zu den gefährlichsten Krankheiten weltweit gehört mit rasant wachsenden Zahlen.“
Weitere Informationen: www.tum.de
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